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Die Rolle von Uke

Volker Motzkus • Nov. 13, 2020

Es lernen immer zwei beim Aikido


Ich lese im Lockdown gerade ein spannendes Aikido-Buch:


Atemi: The Thunder and Lightning of Aikido (Englisch) Taschenbuch


ISBN-13 : 978-1943155194, zu finden u.a. hier.


In dem Buch geht es, grob gesagt, über die Rolle von Atemi im Aikido, und das Verständnis von Aikido als Kampfkunst, nicht als nur spirituelle Lehre. Was ich aber spannend fand, war die Rolle, die der Autor Uke zugetragen hat.


Wenn wir Techniken üben, so konzentrieren wir uns meist auf die Rolle von „Nage“, wir wollen ja die Technik üben. Der Eingang in die Technik geschieht durch einen Angriff von Uke, der meistens aus einem Griff irgendwohin besteht. Das Ziel von Nage ist es nun, mittels der Technik Uke zu kontrollieren bzw. zu Boden zu bringen. Als Uke gehe ich dabei oft mit, weil ich ja demnächst auch Nage bin, und die Technik lernen will. 

Der Autor meint nun, auch Uke kann als Uke etwas lernen, nämlich einen Angriff auf Nage effektiv zu gestalten, bevor Nage eine Technik ansetzt. Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht, zum Beispiel:


  1. Wie viele Möglichkeiten habe ich denn, jemanden zu greifen oder zu schlagen? Wo genau greife ich oder schlage ich hin? Wie fest ist mein Griff oder mein Schlag?
  2. Wie stehe ich bei meinem Angriff? Stehe ich stabil? Ist es für Nage leicht oder schwer, mich aus der Balance zu bringen? Gibt es eine Bewegungsrichtung, in die Nage mich weiterführen kann? Ich habe selber mir ja aufgrund meiner Verletzung in letzter Zeit viele Gedanken über das Stehen und Gehen gemacht. Mal sehen, wie viel davon hängen bleibt bei mir.
  3. Auch, wenn der Angriff in der Lehrsituation vorgegeben ist: Sind davon Variationen denkbar? Ist vorstellbar, sich gegen einen Atemi von Nage zu schützen? Aber auch: Wo könnte denn Nage noch einen Atemi setzen, ohne die Technik zu behindern?


Natürlich sollte der Schwerpunkt immer noch auf dem Erlernen der Technik als Nage liegen. Und natürlich muss ich mich immer wieder neu auf Nage einlassen, genauso, wie sich Nage auch immer wieder neu auf mich als Uke einlassen muss. Ich traue aber einem Dan-Träger zu, dass er in der Lage ist, mich auch dann "in eine Technik zu kriegen", wenn ich versuche, es ihm schwerer zu machen – ohne mich zu sperren, aber auch ohne „mitzugehen“ als Uke. Bei einem Anfänger (also auch bei mir) ist es hingegen geboten, es nicht zu schwer zu machen – aber das ist in unserem Dojo ja auch schon Usus.


Ich finde, dass diese Aspekte auch ein wichtiger Teil dessen sind, was wir beim Aikido lernen können:


  • Wie kann ich als Uke möglichst effektiv angreifen?
  • Wie kann ich Nage die Energie geben, die er/sie braucht, um die Technik einzusetzen?
  • Und wie würde ich es machen, wenn es keine Übungssituation wäre?


Ich möchte anregen, dass wir auch die Uke-Angriffe üben. Und sobald der Angriff „ankommt“, schalte ich hoffentlich wieder um und konzentriere mich darauf, mit Nage die Technik von Nage zu erfahren.


Wir sollten also jede Übung als zweifache Übungssituation begreifen: Sowohl Nage als auch Uke können lernen. Das macht uns hoffentlich zu besseren Aikidoka – als Uke, weil ich dann besser verstehe, wie ich stehe, gehe und angreife; und als Nage, weil ich lerne, Uke trotz hoffentlich erhöhter Stabilität in eine Technik zu bekommen.


Wenn ich also beim nächsten Tai No Henko etwas länger brauchen werde, dann deswegen, weil ich mir überlege, wie ich euch ans Handgelenk fassen kann, ohne meine Stabilität aufzugeben - und wie leicht bzw. schwer ich es euch als Nage machen kann.


Bis hoffentlich bald

Volker.


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