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Über das Beschaffen von Waffen

Volker Motzkus • Nov. 18, 2019

Gedanken zum Kauf von Holzwaffen

 

Waffen – Hilfsmittel nicht nur fürs Training

 

Eines der Alleinstellungsmerkmale von Takemusu Aikido gegenüber anderen Kampfsport- oder Kampfkunstarten ist, dass wir von Anfang an Waffen in das Training einbauen. Wir unterscheiden zwischen Bukiwaza – Waffentraining und Taijutsu – unbewaffnetem Kampf, aber die grundlegenden Bewegungsmuster sind dieselben. Einer der Gründe, warum wir relativ viele raumgreifende Bewegungen mit den Armen / Händen und gestreckten Armen haben ist, weil diese Bewegungen ursprünglich von O-Sensei und Saito-Sensei (den Begründern von Aikido insgesamt und Takemusu Aikido) mit Waffen in der Hand durchgeführt wurden.

 

Das Training mit der Waffe in der Hand erleichtert daher das Verständnis für die Logik hinter den Bewegungen, und schärft das Gespür für den eigenen Körper und die Balance, daneben dient es auch dem Muskelaufbau. Vor diesem Hintergrund ist es auch schon für Anfänger nicht nur empfehlenswert, sondern unumgänglich , mit Waffen zu trainieren.

 

Das Dojo bietet einen Fundus an Übungswaffen, die man zunächst „leihweise“ verwenden kann, dennoch sollte man sich überlegen, sich beizeiten eigene Waffen zu beschaffen.

 


 

Waffen im Aikido

 

Wir trainieren im Takemusu - Aikido mit den drei traditionellen Waffen Bokken (Holzschwert, in Japan auch Boku-to genannt), Jo (Kurzstab) und Tanto (Messer).

 


 

Warum eigene Waffen?

 

Eigene Waffen erleichtern die Kontrolle über die Waffe, und dies ist das Primärziel: Kontrolle. Wenn ich weiss, wie schwer mein Bokken ist und wie es ausbalanciert ist, kann ich mich mit der Zeit unbewusst darauf einstellen und mit dem (selbst-)Vertrauen trainieren, das ich meinen Partner bzw. Uke nicht verletzten werde. Hierdurch kann ich mich auf meine eigene Technik konzentrieren. Wenn ich mich hingegen immer wieder „neu“ auf eine andere Waffe einstellen muss, ist erstens meine Kontrolle nicht so groß, und zweitens achte ich mehr auf die Waffe als auf mich selbst, was meine Fortschritte in der Technik verlangsamt. Man sollte daher versuchen, wenigstens immer das selbe „Leih-Bokken“ zu erwischen.

 

Das vorgesagte gilt für nicht nur für Bokken , die grösstenteils standardisiert sind, wiewohl es unterschiedliche Stilrichtungen gibt. Bei Jo-Stäben ist die Varianz noch viel größer: Ein traditioneller Jo-Stab ist ca. 127,5 cm (4 shaku ) lang und hat 24mm Durchmesser. Nach moderner Lehre sollte ein Jo-Stab indessen etwa so lang sein, das er unter die Achselhöhle des Aikido-ka reicht (bei mir sind das 140 cm, bei anderen bis zu 160 cm…), und Durchmesser bis zu 27mm sind erlaubt. Das erzeugt gewaltige Unterschiede im Gewicht und der Länge des Stabs, was durchschlägt auf das „Handling“ des Stabs und das Gefühl, das man vom Stab hat. Auch deswegen sollte man, finde ich, sich beizeiten für eigene Waffen entscheiden.

 

Fortgeschrittene Aikido-ka (Danträger) trainieren hingegen auch immer wieder mal mit getauschten Waffen, um zu erleben, wie das Ändern der Waffe das eigene Gefühl und die eigene Balance herausfordert. Anfänger, die noch die Technik lernen und festigen wollen und sollen (also auch ich), sind damit meistens eher überfordert.

 


 

Waffen beziehen

 

Durch das Internet ist es nunmehr unglaublich einfach und gleichzeitig unglaublich schwer geworden, sich die Übungswaffen fürs Aikido zu besorgen. Einfach, weil diverse Händler diverse Holzwaffen in diversen Qualitäten zu diversen Preisen bieten. Schwierig, weil Beratung durch die Händler fast unmöglich zu bekommen ist, daher hier einige Überlegungen von mir, wieder aus diversen anderen Aikido-Blogs zusammengetragen:

 


 

  • You get what you pay for . Qualität hat ihren Preis. Übungswaffen werden zwar zunächst primär für Kata und Suburi, also Übungsformen, eingesetzt, dennoch kann die Waffe dabei erheblich belastet werden. Wenn wir üben, einen Nikkyo mit einem Jo -Stab gegen Uke anzubringen, der besagten Jo-Stab gegriffen hat, so wirkt bisweilen das Körpergewicht von Uke auf den Stab. Der Jo -Stab sollte das aushalten können. Viele vermeintliche Schnäppchen brechen schon in so einer Situation, was nicht nur ärgerlich ist, sondern auch für alle Beteiligten ein Verletzungsrisiko birgt.
  • Traditionelle Holzsorten sind nicht umsonst traditionell . Es gibt Gründe, warum bestimmte Holzsorten bevorzugt werden für bestimmte Anwendungen. Das traditionelle Holz für Aikido-Waffen überhaupt ist japanische Weisseiche , die, je nach Quellenlage, botanisch identisch sein soll mit chinesischer Weisseiche oder auch nicht. Leider wächst japanische Weisseiche nicht in Europa, und das Holz ist schwierig zu beschaffen. Es hat auch nichts mit „deutscher Eiche“ gemein ausser dem Namen und vielleicht einem gemeinsamen Vorfahren vor 10.000 Generationen.
    Andere traditionelle Holzsorten sind
    japanische Roteiche und Isu No Ki. Beide werden als akzeptabel betrachtet, jedoch wird Weisseiche als überlegen angesehen.
  • Moderne Alternativen. Einige Aikido-Schreiner auf dem Nordamerikanischen Kontinent fertigen Holzwaffen aus Hickory , einer Holzart, die entfernt mit unserem Buchenholz verwandt ist. Hickoryholz hat mehrere Eigenschaften, die es für Holzwaffen nahezu prädestinieren, so ist es das Holz mit der (angeblich) höchsten Schlagzähigkeit überhaupt. Weiterhin kann man Hickoryholz bis zu einem gewissen Grad auch biegen, ein verbogener Jo lässt sich so z.B. in Grenzen einfach wieder gerade biegen. In den Aikido-Foren überwiegen die begeisterten Verwender von Waffen aus Hickoryholz bei weitem die Kritiker, so dass die Waffen scheinbar wirklich gut sind, Hickory ist auch das mit Abstand am besten geeignete Holz für z.B. Axtstiele, etc. Waffen aus Hickoryholz sind indessen in Deutschland schwierig zu beschaffen, und die Versand- und Zollkosten machen eine Beschaffung aus den USA oder Kanada eher teuer. Hickory wächst nicht in Europa.

    Ich weiss von mindestens einem Schreiner in Deutschland, der Waffen aus
    Hainbuche fertigt. Im Moment haben drei Mitglieder des Dojo Jo-Stäbe aus Hainbuche, und wir sind alle sehr angetan. Hainbuche erreicht die Festigkeit von Eiche, hat aber eine höhere Dichte und ist dennoch leichter. Die Preise sind zwar nicht billig, aber noch angemessen, und Zoll etc. fällt nicht an. Wir werden berichten.


Update 2021-08-01: Schaut auch mal auf 武器用材木 « Zaimoku – Wood For Weapons. Eine Seite, der sehr detailliert, und, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, auch sehr fachkundig die Vor- und Nachteile verschiedener Holzsorten für japanische Trainingswaffen diskutiert. Faszinierend zu lesen, leider nur auf Englisch.


ACHTUNG: Daneben möchte ich noch darauf hinweisen, dass alle "geeignet - ungeeignet" Einstufungen mit Vorsicht zu geniessen sind. Isu No Ki z.B. ist "nach der Papierform" nicht unbedingt ein ideales Holz für Waffen, das Gleiche gilt auch für Quitte, das dennoch ein traditionelles Holz für "Jogo de Pao" ist. Also möchte ich empfehlen, sich fachkundig beraten zu lassen; wo das nicht möglich ist, würde ICH mich für ein traditionelles Holz entscheiden.

 


  • Es zählt auch die Handwerkskunst des Waffenbauers . Das geht los mit der Auswahl des Holzes, der Lage der Maserung in der fertigen Waffe, der hergestellten Balance und noch viel mehr. Ein Bokken aus einem Stück Holz zu schnitzen ist relativ einfach. Es so zu tun, das dabei eine ästhetische, ausbalancierte und haltbare Waffe bei herauskommt, ist eine Kunst, die gelernt sein will. Der Schreiner sollte wissen, was er tut. Wer einmal ein "gutes" Bokken in der Hand hält und vergleicht mit einem "billigen", wird den Unterschied spüren.

 

  • Geölt oder lackiert ? Holzwaffen werden üblicherweise sowohl lackiert als auch geölt angeboten. Öl geht in die Tiefe und zieht ins Holz ein, Lack hingegen bleibt an der Oberfläche des Holzes und versiegelt.
  • Falls möglich, sollte m.E. die geölte Variante genommen werden, gerade bei Jo -Stäben. Geölte Waffen fassen sich einfach besser an, und geölte Jo-Stäbe gleiten viel besser durch die Hände, was bei einigen Jo-Techniken zwingend erforderlich ist, lackierte Stäbe machen da keine Freude.
    Dafür sind geölte Waffen pflegebedürftig, alle 1-2 Monate sollten sie nachgeölt werden. Das ist aber m.E. ein überschaubarer Zeitaufwand, zumal auch lackierte Waffen irgendwann zu unlackierten Waffen werden, wenn der Lack abgerieben wurde und die Waffe dann noch nicht kaputt ist. Da ist es einfacher, finde ich, von Anfang an zu ölen.
  • Bokken-Formen und Jo-Längen. Es gibt unterschiedliche Arten von Bokken , vom Standard-Bokken über das Iwama-Ryu-Bokken bis hin zum Katori-Ryu- Bokken . Einige Bokken-Formen sind leichter, andere schwerer, wobei ein leichteres Bokken nicht unbedingt einfacher zu kontrollieren ist.

    Unsere Bokken im Takemusu Aikido sind in der Regel
    Iwama-Ryu-Bokken , so wie sie Saito Sensei auch schon verwendet hat, oder aber Standard-Bokken. Vor der Beschaffung des eigenen Bokken kann nur ein Gespräch mit einem Senpai oder dem Sensei endgültig helfen, eine für einen geeignete Bokken-Form vorzuschlagen, ein Iwama-Ryu-Bokken kann bei einem/r zierlichen Schüler/in auch schlicht zu schwer sein.
    Das oben gesagte gilt sinngemäß auch für Jo-Stäbe, am einfachsten mal Stäbe verschiedener Länge probieren und dann die passende Länge ausmessen. Zollstock ist im Dojo vorhanden.

 


 

Und nun?

 

Bokken können im Internet ab ca. € 25 Euro bezogen werden, das ist zu billig .

 

Wenn ich einen Bokken will, wer qualitativ ansprechend ist und nicht beim ersten Kontakt kaputt geht, sollte ich mindestens ca. € 40-€ 50 budgetieren, nach oben offen. Iwama-Ryu-Bokken kosten typischerweise ca. 5 € mehr, je nach Bezugsquelle. Mehr als 150 € ausgeben für etwas, was letzten Endes ein Stück Holz ist, würde ich allerdings auch nicht, es sei denn, ich suche z.B. ein besonderes Geschenk für jemanden. Das vorgenannte gilt auch für Jo-Stäbe.

 

Tantos, also Messer, kosten in der Regel 10-20 €. Das ist ausreichend, Tantos sind erheblich einfacher zu fertigen und normalerweise nicht so großen Belastungen ausgesetzt wie Bokken und Jo.

 

Ich würde empfehlen, alle drei Waffen aus japanischer Weisseiche zu besorgen, alternativ aus etwas preiswerterer japanischer Roteiche. Wenn ein lokales Holz bevorzugt wird, tendiere ich im Moment zu Hainbuche, will aber in Zukunft mal Hickory probieren, nur haben wir hier keine Erfahrungswerte. Wir werden berichten.

 

Ich rate dringend ab von Waffen aus Kirschholz, Ebenholz, Buche, etc. Solche Waffen sehen sehr schön aus, und man kann mit solchen Waffen auch Kata und Suburi üben, aber die Haltbarkeit ist nach der im Dojo vorhandenen (leidvollen) Erfahrung sehr gering. Es ist schade um das Geld, wenn ein wunderschön anzuschauendes Bokken aus Ebenholz beim zweiten „Vollkontakt“ bricht.

 

Es gibt bei vielen einschlägigen Händlern sog. Aikido – Starter – Sets, bestehend aus Bokken, Jo und Tanto. So einem die Holzsorte zusagt UND man mit dem Jo-Maß (fast immer die traditionellen 127,5 cm) zufrieden ist, macht man mit so einem Set in der Regel nichts falsch und spart in der Regel gegenüber dem Einzelkauf. Andere, die längere Jo benötigen, müssen getrennt bestellen.

 


 

Waffen pflegen und aufbewahren

 

Holzwaffen bestehen aus Holz (ach), und Holz arbeitet. Dementsprechend sollten Holzwaffen nach Möglichkeit immer gleichbleibendem Raumklima (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) ausgesetzt sein, um in Form zu bleiben. Innerhalb eines Zimmers kann es, gerade im Winter, zu erheblichen Temperaturunterschieden kommen, je nach Höhe im Raum. Ein Jo -Stab, der in der Ecke lehnt, ist daher am unteren Ende thermisch anders belastet als am oberen Ende.

 

Der Ratschlag eines Fachhändlers lautete daher: Waffen im Dojo liegend lagern. Wenn Waffen zu Hause gelagert werden, dann liegend, z.B. unter dem Bett, das Schlafzimmer ist üblicherweise geheizt und nur geringen Schwankungen in der Temperatur ausgesetzt.

 

Auf GAR KEINEN FALL Holzwaffen im Sommer oder im Winter über mehrere Stunden im Kofferraum lassen, diese können hierdurch komplett verzogen werden (Anekdoten zufolge Hickory angeblich nicht...)

 

Update 2021-08-01: Waffenöl.

Nach längerer Suche nach geeigneten Ölen zur Pflege von Waffen bin ich inzwischen halbwegs fündig geworden. Wie immer war es "gar nicht so einfach"... . Vorneweg: Ich bin Dankbar für Korrekturen und Unterstützung von einem Profi, ich bin hier Laie.


Recherchiert habe ich danach, was für ein Öl denn benötigt wird, indem mich auf den Händlerseiten umgesehen habe. Leider sind die Empfehlungen durchaus unterschiedlich, so empfiehlt der "Bokken-Schreiner" Markus Heim etwas ganz anderes als z.B. der Seido-Shop. Tja... und nun?


Letztlich habe ich mal die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der diversen "Ratschläge" für mich zusammengetragen, herausgekommen ist folgende Liste:


  • Das Öl muss hautfreundlich sein, am besten Lebensmittelecht. Wir werden die Waffe ja mit schwitzigen Händen anfassen und dabei auch Bestandteile des Öls über die Haut aufnehmen, da sollte das Öl nicht schaden
  • Das Öl sollte "Holzpflegend" sein. Das passiert primär, indem das Öl verlangsamt, dass Wasser ins Holz einzieht bzw. indem das Öl in die Zwischenräume der Holzfasern fließt und dort aushärtet. Da Öl Hydrophob ist, verhindert ist so, dass Wasser (Schweiss) ins Holz einzieht und es dort zum Quellen bringt.
  • Das Öl sollte kein Vermögen kosten
  • Das Öl sollte einfach zu verarbeiten sein.


Das Endergebnis hat mich etwas überrascht, denn

  • einfache Speiseöle sind insgesamt gesehen sehr gut geeignet, Holzwaffen zu ölen. Mann kann also das Bokken mit  Sonnenblumenöl oder Olivenöl einreiben, das funktioniert durchaus und ist preiswert.
  • Produkte auf Basis von Leinöl, wie sie auch für Küchenarbeitsplatten verwendet werden, sind ebenfalls gut. Leinöl ist Firnisbildend, was die Haltbarkeit einer "Ölung" erhöht. Wird Leinöl mit Hartwachs gemischt, kann auch eine Pigmentierung entstehen, die die Waffe vor dem Nachdunkeln bewahrt. Für manche mag das ein Argument sein, anderen ist es egal. Nachteil: Es riecht etwas, je nach Zubereitung, und braucht Zeit um zu trocknen
  • "Ballistol", das Allzwecköl des deutschen kaiserlichen Heers im ersten Weltkrieg, ist auch sehr gut geeignet. Auch Ballistol kann man wohl trinken (laut Hersteller, wenn auch nicht empfohlen), und es zieht sehr gut in Holz ein. Es wurde wohl entwickelt als Multifunktionsöl, damit die Soldaten nicht so viel zur Waffenpflege mit sich rumschleppen mussten. Riecht etwas, aber kriecht in jede Ritze.
  • Kamelienöl. Der Klassiker. Einfach zu verarbeiten, riecht toll bis gar nicht, also angenehm zu verarbeiten         


Ich war übrigens erstaunt, dass sowohl Ballistol als auch Kamelienöl sowohl für Metallwaffen (bei Ballistol Schusswaffen, bei Kamelienöl Iaidos) als auch für Holzwaffen empfohlen werden. Da ich meine wenigen Carbonstahl-Küchenmesser seit jeher mit Sonnenblumenöl einöle und auch das bis jetzt funktioniert hat, vermute ich, dass die Waffenhersteller schlicht bei dem Öl geblieben sind, dass sie bereits kannten und vermutlich herumstehen hatten.


Daraus folgt für mich, dass man bei Waffenölen nicht wirklich viel falsch machen kann. Im schlimmsten Fall muss man öfters nachölen, aber dass eine Waffe wegen "falschem Öl" kaputt gehen würde, habe ich noch nirgends gelesen (...oder postet das keiner, weil es peinlich ist?). Dementsprechend würde ich empfehlen, ein beliebiges für Menschen ungiftiges Öl zur Holzwaffenpflege einzusetzen. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.


 


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