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Vertrauen im Aikido

Volker Motzkus • Apr. 01, 2020

Das Lernen von Aikido erfordert Vertrauen

Aikido - Piktogram



Aikido; Ai-ki-do, wobei do = Weg, Ai = „Harmonie“, und Ki = „Energie“ (was Ki ist, wird Thema eines anderen Blogbeitrags) lässt sich übersetzen als „Weg der Harmonisierung des Ki“. Ich habe noch keine bessere Übersetzung gefunden. 

Sinnbildlich harmonisiert der Aikido-ka die Energie des Uke bzw. eines Angreifers mit seinen Energien, und lenkt diese dann gegen den Angreifer. Wenn das gelingt, hat Aikido stattgefunden. 

Damit das gelingt, benötigt es unter anderem viel Vertrauen:

    • Vertrauen in meine Senpai und meinen Sensei, dass sie achtsam mit mir umgehen werden.
    • Vertrauen in die Techniken, die O-Sensei uns hinterlassen hat, dass sie nicht zu einer Verletzung führen werden. 
    • Und Vertrauen in mich selber, sei es als Uke oder als Nage, dass ich meinem Partner nicht wehtun bzw. angemessen reagieren werde. 

Da möchte, da will ich hin, dieses (Selbst-)Vertrauen zu haben, oder, es entgegengebracht zu bekommen. Es ist nicht einfach, dieses Vertrauen aufzubauen. Wo fange ich an? Ich kann es nur an Beispielen festmachen. 

Das Gegenteil von Vertrauen ist Angst

Ich kann nur für mich selber reden, aber ich habe durchaus Angst davor, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren. Sei es im „Großen“ – behalte ich meinen Job? Hält meine Ehe? Wird aus meinen Kindern was? - bis hin zum „Kleinen“: Habe ich alle Rechnungen bezahlt? Kommt meine Tochter rechtzeitig nach Hause? Schaffe ich es pünktlich zur Arbeit?
Auch wenn ich mit fortschreitenden Lebensjahren und einhergehender -erfahrung sehr viel gelassener geworden bin als früher, mit 

Vertrauen in Techniken / Ukemi:

Wir lernen Ukemi / Fallschule nicht, um nicht mehr zu fallen. Wir lernen Ukemi, um die Angst vor dem Fallen zu überwinden. Ukemi bedeutet, ich mag zwar für einen Moment die Kontrolle über meinen Körper, meinen Schwerpunkt, meine Balance verloren haben, aber das macht nichts: Ich kann die Kontrolle über meine Balance durch Ukemi wieder erlangen, ohne mich zu verletzen. Durch stetiges Üben von Ukemi gewinne ich Selbstvertrauen in meine Fähigkeit, ohne Schaden zu fallen; ja, es kann sogar zu einem Genuss werden, zu spüren, wie man fällt, rollt, und mühelos wieder aufsteht. Doch bis dahin erfordert Ukemi auch viel Überwindung und immer wieder Vertrauen: in meine Lehrer, in die Technik an sich, in mich selber.

Sobald ich mir sicher bin, dass ich Ukemi hinreichend beherrsche, verändert sich mein Ausblick auf die Übungen: Nach und nach verliere ich die (zutiefst menschliche) Angst davor, geworfen zu werden oder zu fallen. Ich habe dann gelernt, mir selber zu vertrauen und meine instinktiven Reaktionen zum Fallen / geworfen werden hinter mir zu lassen. Das erlaubt es mir, entspannter in die Übungen zu gehen, was wiederum zu einem „harmonischeren“ oder „geschmeidigeren“ Gefühl führt bei den Übungen. 

Sobald ich an diesem Ort bin, kann ich den – auch aus anderen Gründen angestrebten – Zustand der „bewusst unbewussten Entspannung“ (wieder ein Thema für einen weiteren Blogbeitrag) einfacher erreichen. Vertrauen in Ukemi ist also Vertrauen in die gelernten Techniken, und Selbstvertrauen in meine eigenen Fähigkeiten, diese zu lernen und anzuwenden. Oder auch: Vertrauen in meinen Körper.


Vertrauen in die Aikido-Partner

Ich vertraue auch meinen Trainingspartnern: Den Sensei, Senpai und meinen Mitschülern, die mir Aikido beibringen; Sie sind Partner, die mich fordern, aber nicht überfordern; sei es als Uke oder als Nage. 

Ich gehe den Weg des Aikido in meinem eigenen Tempo und vertraue darauf, das meine Partner mich und meinen Fortschritt auf dem Weg bei Ihren Entscheidungen berücksichtigen. Das bedeutet auch: jede Technik, jeder Wurf, jede Bewegung, die Nage macht, wird durch Uke bestimmt. Nage, muss sich immer wieder neu auf Uke einstellen: Alter, Körpergrösse, Muskeltonus, Kraft, Gewicht, Trainingsgrad, … . Wenn Uke einen „Angriff“ startet, wird Nage reagieren, nicht agieren. Und dennoch angemessen reagieren. Ich vertraue darauf, dass Nage mich, wenn ich Uke bin, nicht verletzen wird und die Technik so ausführt, dass wir beide etwas davon haben. 

Selbstvertrauen

Umgekehrt stimmt auch: ich (als Nage) will mir selber zutrauen, die richtigen Techniken richtig anzuwenden, ohne meinem Uke zu schaden. Das wiederum lerne ich nur durch beständige Übung, Übung, Übung, und um zu üben, brauche ich Partner. Aikido kann man nicht alleine üben, sondern nur mit Menschen, denen man vertraut und die einem Vertrauen.


Vertrauen lernen

Es ist mitunter sehr schwierig, solch ein Vertrauen zuzulassen. Selbst wenn wir bewusst die Entscheidung treffen, uns auf Aikido einzulassen, müssen wir das Dojo als geschützten Raum auch unbewusst akzeptieren. Dabei helfen mir unsere Ritualen und die Dojo-Etiquette, damit auch mein Unterbewusstsein lernt, die „Angriffe“ im Dojo zuzulassen und letztlich die zunächst instinktiven Reaktionen neu gelernt werden können. Ich habe das ganz deutlich gemerkt, als ich mal zu spät kam und verspätet auf die Matte bin, ich war noch steifer als sonst… .

Aber so ist das: Es ist ein Weg, und ich möchte ihn mit euch allen gemeinsam weiter gehen, sobald wir das wieder können.
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